Im weißen Rössl (2004/2005)

I. Akt: Die Sommerfrischler: „Im Salzkammergut lustig sein . . . “
Es ist Hochsaison. Die Wirtshäuser und Pensionen in St. Wolfgang erwarten zahlungskräftige Gäste, diese wiederum alpenländische Gastlichkeit, Gebirgsnatur pur und Erholungsfreuden, Amouren eingeschlossen. Kellner Leopold vom „Rössl“ hat alle Hände voll zu tun, möchte aber bei aller Geschäftigkeit auch seine Herzensneigung zu seiner hübschen, verwitweten Wirtin Josepha nicht unterdrücken müssen. Diese jedoch will von ihm nichts wissen, sondern hofft auf einen sympathischen
Stammgast, den Rechtsanwalt Dr. Erich Siedler. Der hat das schönste Balkonzimmer gebucht. Darüber kommt es nach Ankunft des hemdsärmeligen Trikotagenfabrikanten Wilhelm Giesecke aus Berlin zu gewissen Schwierigkeiten, denn Leopold
hat Dr. Siedlers Zimmer aus pikanten Gründen dem Fabrikanten zugewiesen. Leopold muss natürlich nachgeben, und der Fabrikant sich mit einer anderen Lösung abfinden. Das wurmt den, denn Dr. Siedler ist der Rechtsanwalt seines heftigsten
Geschäftskonkurrenten Sülzheimer in einem Prozess gegen seine Firma. Zum Glück hat Giesecke seine bildhübsche Tochter Ottilie mitgebracht. Leopold spinnt nun neue Fäden, aber auch Dr. Siedler bleibt nicht untätig . . .

II. Akt: Seltsame Liebeswege: „Zuaschaug’n kann i’ net . . . “
Weil die Wirtin immer noch an Dr. Siedlers Zuneigung glaubt, entlässt sie wutentbrannt ihren unglücklichen Kellner. Doch kann sie sich weniger ihrem „Herzkönig“ zuwenden, sondern muss sich um den ewig verdrossen berlinerisch grantelnden
Giesecke kümmern und ihn stimmungsmäßig aufmöbeln. Besser noch besorgt dies allerdings ein Brief des alten Sülzheimers, der seinen Sohn Sigismund ins „Rössl“ schickt, wo er sich um die Gunst von Ottilie bemühen soll: Durch eine Heirat wäre der Rechtsstreit der beiden Firmen elegant aus der Welt zu schaffen. Dr. Siedler bietet sich an, den Deal anzubahnen, denkt jedoch nicht im Ernst an das Projekt, sondern kann auf diese Weise Ottilie näher sein, der er vom ersten Augenblick an verfallen war. Sigismund seinerseits interessiert sich nicht für Ottilie, sondern angelegentlich für des verarmten Prof. Hinzelmanns etwas lispelnde, aber sonst sehr attraktive Tochter Klärchen. – Für Leopold keimt indes eine neue Hoffnung auf: Der Kaiser wird auf sein Betreiben beim Gemeinderat hin im „Rössl“ absteigen. Helle Aufregung und Hilflosigkeit bei der Wirtin! Gar kleinlaut bittet sie Leopold um Unterstützung. Bei der Begrüßung des Kaisers allerdings sieht Leopold Josepha
bei Dr. Siedler stehen, kommt ins Stottern und bricht schließlich in Tränen aus.
Peinlich, peinlich!

III. Akt: Der Kaiser wird’ richten: „G’scheit sein . . . “
Josepha schüttet dem leutseligen Kaiser ihr Herz aus. Der hat die richtigen Worte für sie: „G’scheit sein!“ Und ins Stammburch schreibt er ihr: “Schweige und begnüge dich, lächle und füge dich!“ Schließlich muss sie erkennen, dass die Neigung Dr. Siedlers nicht ihr, sondern Ottilie gilt. Als Leopold mit dem Koffer in der Hand um sein Arbeitszeugnis bittet, händigt sie es ihm aus, doch erhält er sofort ein neues Engagement – als ihr zukünftiger Ehemann. Und noch zwei andere Paare werden
glücklich, aber die können Sie sicher selbst erraten.

Rund ums Rössl:

Das Lustspiel: Den Stoff fürs „Rössl“ lieferte das wahre Leben: Der Textdichter des Lustspieles von 1897 (s. S. 5) Oskar Blumenthal, verbrachte häufig die Sommerfrische zusammen mit dem Schauspieler Gustav Kadelburg im Gasthof „Weißes Rössl“, aber nicht in St. Wolfgang, sondern in Lauffen auf dem Wege zum Dachstein in der Gegend
von Bad Ischl, wo die Kaiserfamilie jährlich der Sommerfrische huldigte. Dort hatten die beiden über mehrere Jahre das letztendlich erfolgreiche Werben des Kellners um seine verwitwete Wirtin mit Interesse beobachtet. Und daraus verfassten die beiden unter Einbezug weiterer Figuren und Personen (u. a. Trikotagenfabrikant Giesecke aus Berlin) dann das Lustspiel in 3 Akten „Im Weißen Rössl“, das am 30.12.1897 in Berlin mit großem Erfolg uraufgeführt und bald nicht nur im deutschsprachigen Raum über eine Reihe von Jahren inszeniert wurde. Mit ein Grund für das große Interesse war die aufbrechende Sehnsucht nach größeren Reisen und Sommerfrische, die in der humorvollen Handlung ihre adäquate Erfüllung nicht nur für den „kleinen Mann“ fand. Wer in der Großstadt Berlin z. B. hatte je schon einen zwischen steil aufragenden Felswänden eingebetteten Gebirgssee gesehen? Freilich: Der Kaiser kam in dem damaligen Prosastück nicht vor, das wäre beim Gottesgnadentum der Monarchen despektierlich gewesen. Und jener Kaiser war ja der österreichische. Zudem hatte Berlin selbst einen.
Ironie der Entwicklung: Das ursprüngliche „Weiße-Rössl“-Wirtshaus in Lauffen konnte von dem großartigen Erfolg des Lustspieles nicht profitieren, dafür jenes am St. Wolfgangsee, das mit der Begebenheit überhaupt nichts zu tun hatte. Dessen Wirtin, die Antonie Drassl, erkannte sofort den großartigen Werbewert und reiste sehr erfolgreich durch die Lande, um ihr Wirtshaus bekannt zu machen. Es lag ja auch direkt am See, das andere eben nicht. Und bald war ihr „Weißes Rössl“ das des Lustspieles und ab 1930 des Singspieles. Und diese Verwandlung vollzog sich so:
Das Singspiel: Das Berlin der 20-er-Jahre schickte sich an, der etwas in die Jahre gekommenen Wiener Operettenwelt den Rang abzulaufen. Eine neue Musiker-Generation ging und fand neue musikalische Wege: Das Chanson war geboren und mit ihm neue Darstellungsformen, das Kabarett und die Revue. Mit ihr feierte Erik Charell, Tänzer und Choreograph, in Berlin Triumphe. Ralph Benatzky verschaffte sich in dieser neuen, rasch international gewordenen Musikwelt einen Namen als Meister der galanten Chansons. Aber er komponierte auch Operetten, jedoch in einem neuen Stil, als Revue- Operette: tänzerische Lockerheit bestimmte seine Stücke. Allerdings: Eine gewisse Hektik kehrte in der Musikszene ein. Ständig wollte man etwas Neues haben. Da traf Charell auf der Suche nach einem neuen Stück am Wolfgangsee den großen, international anerkannten Schauspieler Emil Jannings. Der hatte als 16-Jähriger im „Rössl“ debütiert. Dies und die losen Sprüche des Hemden-Giesecke aus Berlin ließen ihn nicht los. Er erzählte Charell so begeistert von dem Stück, dass der sofort daran ging, es als
Revue-Operette szenisch umzugestalten. Benatzky fand sich nach abenteuerlichen Wirrungen zur Komposition bereit, und Jean Gilbert, obwohl waschechter Berliner, textete drauflos, die österreichischen Idiome einfühlsam einpassend. Robert Stolz, Bruno
Granichstädten und Hans Frankowski steuerten weitere nicht unwesentliche Teile bei. Die stürmisch gefeierte Premiere am 08.11.1930 in Berlin führte zum Welterfolg.

Der Komponist:

Ralph Benatzky ist Komponist des Singspieles „Im weißen Rössl“. Indes haben eine ganze Reihe von Komponisten zum Welterfolg des Stückes beigetragen. Beispielsweise hat Robert Stolz „Die ganze Welt ist himmelblau“ und „Mein Lieblingslied muss ein Walzer sein“ komponiert, und Robert Gilbert hat die Melodie zu „Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist“
geschrieben. Weitere Stücke stammen von anderen Komponisten: Bruno Granichstädten, Hans Frankowski
und sogar Eduard Künneke. Sie haben auf Bitten von Charell ihre Werke meist als Einlagen für das Singspiel verfasst. Sie sind
jedoch sofort zu dessen wesentlichen Bestandteilen geworden.

mehr Infos